Polen Die Brieffreundin aus der US-Botschaft
Mit seinem Drohbrief an deutsche Unternehmen sorgte Richard Grenell für Schlagzeilen. Ganz ähnlich geht die US-Botschafterin in Warschau vor.
Polen gehört in Europa zu den schärfsten Kritikern des Gaspipeline-Projekts Nord Stream 2. Außenminister Jacek Czaputowicz warnte vor wenigen Wochen in einem Interview mit dem "Handelsblatt" vor den Folgen für Osteuropa. "Wenn der russische Gas-Transit durch die Ukraine wegfällt, verliert das Land nicht nur erhebliche Einnahmen, sondern vor allem die Garantie eines Schutzes vor weiteren russischen Aggressionen", sagte er.
Entsprechend sorgte auch der Brandbrief von Richard Grenell in Warschau vor wenigen Wochen für Aufregung. Der US-Botschafter in Berlin hatte Unternehmen, die an Nord Stream 2 beteiligt sind, mit Sanktionen gedroht.
Hinzu kommt: Seit September 2018 residiert mit Georgette Mosbacher auch in Polen eine von Donald Trump berufene Botschafterin, die mit aller Macht die Interessen der USA vertritt. Sie scheut auch nicht davor zurück, sich in die polnische Politik einzumischen. Gern auch in Briefform.
Falscher Titel, falscher Name
"Sehr geehrter Herr Minister Morawiecki, ich schreibe Ihnen, um meine tiefste Besorgnis über die jüngsten Vorwürfe von Regierungsmitgliedern gegen die Journalisten von TVN und Discovery zum Ausdruck zu bringen", hieß es etwa zu Beginn eines Briefes vom 19. November vergangenen Jahres.
Mosbacher hatte dieses Schreiben nicht nur an Ministerpräsident Morawiecki geschickt, sondern auch an Innenminister Joachim Brudzinski und Staatspräsident Andrzej Duda. Der Brief sorgte in polnischen Regierungskreisen aus zwei Gründen für Unmut:
- Mosbacher wählte eine falsche Anrede, aus Ministerpräsident Morawiecki machte sie einen Minister Morawiecki. Zudem leistete sie sich mit "Moraweicki" noch einen Tippfehler. (Anm. d. Red.: Der Tippfehler im Originaldokument wurde hier nicht wiedergegeben.)
- Der Privatsender TVN gehört dem amerikanischen Medienkonzern Discovery. Das US-Unternehmen ist damit einer der größten Akteure auf dem polnischen Medienmarkt. Politiker der Regierungspartei PiS greifen TVN wegen seiner kritischen Berichterstattung immer wieder an.
Im Januar vergangenen Jahres strahlte der Sender eine Reportage über Neonazis in Polen aus. Einer der interviewten Rechtsradikalen soll eigenen Angaben zufolge umgerechnet rund 5000 Euro für eine gestellte Adolf-Hitler-Geburtstagsparty erhalten haben. Er wurde nach der Ausstrahlung von der Polizei verhaftet, seine Aussage führte zudem zu Ermittlungen gegen die verantwortlichen TVN-Journalisten.
"Ich hoffe, dass Mitglieder Ihrer Regierung keine unabhängigen Journalisten angreifen oder gar strafrechtlich verfolgen, die öffentliche Interessen artikulieren und unsere Gesellschaften stärken", beendete Mosbacher ihren Brief an die führenden Politiker ihres Gastlandes.
Drohbriefe an zwei Ministerien
Es war nicht der einzige Brief aus der US-Botschaft, der seit dem Amtsantritt Mosbachers in den Briefkästen polnischer Ministerien landete. Wie Anfang des Jahres bekannt wurde, hat sie auch beim Gesundheits- und beim Infrastrukturministerium interveniert:
- Das Gesundheitsministerium hatte ein Medikament des US-Pharmaunternehmens Genetech von der Liste subventionierter Medikamente gestrichen.
- Das Infrastrukturministerium hatte eine Gesetzesnovelle zum Personentransport erarbeitet, in deren Folge die Aktivitäten des US-Unternehmens Uber in Polen so gut wie unmöglich gemacht worden wären.
In ihrem Brief an Infrastrukturminister Andrzej Adamczyk scheute die US-Botschafterin nicht davor zurück, mit dem Ende geplanter US-Investitionen zu drohen.
"Es ist eine Form des Widerstands"
"Eigentlich ist das nichts Ungewöhnliches. Bereits in der Vergangenheit haben Botschafter, auch die aus Deutschland, versucht, in die polnische Politik einzugreifen", sagt Witold Jurasz. "Neu ist jedoch die Form. Die Frau Botschafterin interpretiert die US-Diplomatie der Trump-Administration sehr genau", so der ehemalige Diplomat und heutige Außenpolitikexperte. Mosbacher hat mit ihrer Strategie Erfolg:
- Die von der konservativen Regierung kontrollierte Staatsanwaltschaft ist im Fall des TV-Senders TVN zurückgerudert.
- Das Medikament des US-Herstellers Genetech tauchte wieder auf der alle zwei Monate aktualisierten Liste subventionierter Medikamente auf.
- Die Gesetzesnovelle zum Personentransport verschwand wiederum in der Schublade.
Dies bedeutet nach Einschätzung von Jurasz jedoch nicht, dass die polnische Regierung alles mit sich machen lässt. "Dass die Briefe überhaupt an die Öffentlichkeit durchsickerten, zeigt den Unmut der polnischen Regierung. Es ist auch eine Form des Widerstands."